- Gentechnik: Anwendung in Wissenschaft und Forschung
- Gentechnik: Anwendung in Wissenschaft und ForschungDie molekulare Genetik und deren ingenieurwissenschaftlicher Zweig — die Gentechnik — haben in den biomedizinischen Wissenschaften eine neue Dimension der Erkenntnis eröffnet. Dadurch, dass Gene molekular analysiert werden können, werden biologische Prozesse wie die Entwicklung eines komplizierten Organismus aus einer Eizelle der detaillierten Untersuchung zugänglich gemacht. Weil DNA und Gene mithilfe der gentechnischen Verfahren nicht nur analysiert, sondern auch gezielt verändert, ja sogar synthetisch hergestellt werden können, hat sich in der Wissenschaft ein Wandel von der deskriptiv-analytischen zur synthetischen Biologie vollzogen.Die Anwendungsbereiche der Gentechnologie sind so enorm vielfältig, dass es sicherlich eines eigenen, umfangreichen Buches bedürfte, um auch nur annähernd alle Anwendungsgebiete ausreichend darzustellen. Einige Beispiele sollen zeigen, welche Beiträge die Gentechnologie für den Fortschritt in den Biowissenschaften leistet.Genetische Steuerung der IndividualentwicklungFast alle vielzelligen Organismen haben einen Generationswechsel. Die neue Generation beginnt mit der Verschmelzung zweier Keimzellen — beim Menschen und bei Tieren — der Samen- und der Eizelle zu einer Zygote. Aus dieser einen Zelle entwickelt sich der gesamte komplizierte Organismus. Die Entwicklung erfolgt dabei entsprechend einem in den Genen festgelegten Plan, nach dem aus anfangs relativ undifferenzierten Zellen schließlich der fertige Organismus mit einer Vielzahl von hoch spezialisierten Zellen und Organen entsteht. Der erwachsene Organismus bildet dann wieder Keimzellen, und der Entwicklungszyklus beginnt von Neuem.Dass ein solcher genetischer Entwicklungsplan existiert, ist seit langem bekannt. Wie dieser Plan allerdings im molekularen Detail auf der Ebene der Gene aussieht, konnte erst mithilfe der Gentechnik teilweise aufgeklärt werden.Besonders gut sind die ersten Stufen des Entwicklungsplans der Taufliege Drosophila melanogaster bekannt, nicht zuletzt aufgrund der bahnbrechenden Arbeiten der Medizinnobelpreisträger (1996) Christiane Nüsslein-Volhard, Eric Wieschaus und Edward Lewis. Die frühen Entwicklungsstufen des Drosophila-Embryos werden durch Gene bestimmt, die schon in der Fliege bei der Bildung des Eis in einer fest definierten Weise im Ei abgelagert werden.Diese mütterlich aktiven Gene codieren für Proteine, die darüber entscheiden, wo sich bei einem Embryo der Kopf, der Rücken und der Bauch entwickeln werden. Diese Proteine steuern wiederum andere Gene. Es handelt sich um Regulatorproteine. Diese können ein Gen an- oder abschalten oder eine Steigerung oder Verminderung der Genaktivität bewirken. Manchmal ist die Gensteuerung sehr kompliziert und viele Gene beziehungsweise Proteine sind an der Steuerung beteiligt. Das gesamte Entwicklungsprogramm eines Organismus ist ein Regulationsnetzwerk von vielen Genen.Einzelne Entwicklungsgene haben zum Teil ein großes Potenzial: Dies zeigt ein Experiment, bei dem ein Regulatorgen absichtlich an einer falschen Stelle während der Entwicklung aktiviert wird. Es handelt sich um das Gen Eyeless, das für die Augenentwicklung bei der Taufliege verantwortlich ist.Wird dieses Gen während der Entwicklung an den zukünftigen Beinen der Fliege künstlich eingeschaltet, so entwickelt die Taufliege deutlich sichtbar zusätzliche Augen an den Beinen. Der Prozess der Augenentwicklung erfordert natürlich eine ganze Reihe von verschiedenen Genen, die alle aktiv sein müssen. Das Gen Eyeless ist sozusagen das Chefgen, dass alle diese Gene dazu bringen kann, aktiv zu werden und ein Auge auszubilden.Die Möglichkeit, durch das Anschalten eines einzigen Gens ein zusätzliches Auge wachsen zu lassen, ist im Hinblick auf die Regeneration von Geweben und Organen beim Menschen faszinierend. Beim Menschen ist es jedoch nur sehr begrenzt möglich, durch Verletzung oder Krankheit zerstörte Gewebe oder Organe durch Regeneration wieder nachwachsen zu lassen. Wenn es in Zukunft gelänge, auch beim Menschen die Schaltergene für die Organentwicklung zu identifizieren und ihre Aktivität zu steuern, könnten unter Umständen verletzte Nerven oder andere Organe zum Nachwachsen angeregt werden.Molekulare Evolution und BiodiversitätFür Wissenschaftler wie für Nichtwissenschaftler ist die Frage nach den molekularen Mechanismen der Evolution faszinierend. Im Verlauf von rund drei Milliarden Jahren (geschätztes Alter des Lebens auf der Erde) haben sich viele Millionen verschiedenster Lebensformen auf der Erde entwickelt. Alle heute lebenden Arten besitzen DNA als Erbsubstanz, als Speicher aller für das Leben notwendigen Informationen. Dies ist ein Beleg dafür, dass alle Organismen auf der Erde, so verschieden sie auch sein mögen, letztlich miteinander verwandt sind und wahrscheinlich einen gemeinsamen Ursprung haben.Mit dem Einblick in die Gene und Genome der Organismen eröffnet sich auch die Möglichkeit, die molekularen Prozesse zu studieren, die zu der Vielfalt der Biosphäre geführt haben. Mit der schnell zunehmenden Menge an molekularen Daten über Gene und Genome wird das Bild über die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Arten und Organismengruppen, aber auch über die Abstammungsgeschichte einzelner Gene und Genfamilien nach und nach vervollständigt.Einige der Grundprinzipien der molekularen Evolution kristallisieren sich bereits aus den noch sehr lückenhaften Daten heraus. Viele Gene der vielzelligen Tiere sind in ihrer molekularen Struktur überraschend ähnlich.Zwischen Maus und Mensch findet man häufig eine Übereinstimmung in der Basensequenz der Gene, die über 80, ja sogar teilweise 90 Prozent identischer Basen hinausgeht. Auf der Ebene der Aminosäuresequenzen ist diese Übereinstimmung häufig noch höher. Überraschend ist auch, dass die Anordnung der Gene auf den Chromosomen über weite Strecken zwischen Maus und Mensch noch erhalten geblieben ist. Selbst zwischen der Taufliege und dem Menschen sind viele Gene so ähnlich, dass die Verwandtschaft und damit der gemeinsame Ursprung noch deutlich zu erkennen ist.In manchen Fällen ist sogar die Anordnung der Gene in Taufliege und Mensch dieselbe, wie etwa in der Gruppe der Homöobox-Gene (Hox-Gene) gezeigt werden konnte. Manchmal können sogar die menschlichen Gene die entsprechenden, homologen Gene der Fliege in ihrer Funktion vollständig ersetzen beziehungsweise entsprechende defekte Gene kompensieren.Die teils große Ähnlichkeit der Gensequenzen in so verschiedenen Organismen wie der Taufliege, der Maus und dem Menschen war für viele Fachleute überraschend. Man kann daraus nur den Schluss ziehen, dass vielzellige Organismen eigentlich viel näher verwandt sind, als es der äußere Anschein vermuten lässt. Wahrscheinlich reichen kleine Veränderungen an wenigen Genen aus, um morphologisch (in der Körpergestalt) große Änderungen zu erzeugen. Die Unterschiede, die sich beispielsweise zwischen Schimpansen und Menschen finden lassen, betragen in wichtigen Genen nur wenige Prozent, was uns Menschen über unsere Stellung in der Natur vielleicht zum Nachdenken anregen sollte.Beim Vergleich der Anzahl der Gene von Taufliege und Mensch zeigt sich eine klare Tendenz: Wenn bei der Taufliege für ein bestimmtes Protein nur ein einziges Gen existiert, so sind es beim Menschen meistens mehrere Gene mit ähnlicher Struktur, die vermutlich durch Verdopplungen während der Evolution entstanden sind. Dies erklärt auch zumindest zum Teil die erheblich höhere Genanzahl beim Menschen (Mensch 30 000—40 000 Gene, Fadenwurm 19 000 Gene, Taufliege 12 000—15 000 Gene).Interessant ist auch, dass nicht nur einzelne Gene während der Evolution erhalten geblieben sind, sondern ganze Pakete von Genen konserviert wurden, beispielsweise solche, die gemeinsam an einem Stoffwechselweg oder an einer Signalkette beteiligt sind.Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Natur mit einmal erfundenen Genen sehr ökonomisch umgeht und diese in unterschiedlichen Organismen wieder verwendet.Im Gegensatz zu den überraschend geringen Unterschieden zwischen den bisher untersuchten Genen und Genomen der vielzelligen Organismen zeigen die Genome der Mikroorganismen unerwartet große Unterschiede. Inzwischen liegen die vollständigen Genomsequenzen von mehr als 20 Mikroorganismen vor. In jedem Genom finden sich bis zu einem Drittel unterschiedliche Gene. Offensichtlich ist die Welt der Mikroorganismen sehr viel diverser als die Welt der höheren Organismen.Dies macht das Verständnis der Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den diversen Mikroorganismen zwar nicht einfacher, steigert aber andererseits die wissenschaftliche Neugier, weil es offensichtlich noch viel mehr in der Welt der Mikroorganismen zu entdecken gibt, als vielleicht bisher angenommen wurde. Die Molekulargenetik hilft dabei entscheidend mit, die vorhandene Vielfalt systematisch zu ordnen und die Evolution der Organismen eines Tages zu rekonstruieren.MolekulararchäologieEin völlig neuer Wissenschaftszweig ist die Molekulararchäologie. Die Verbindung von Gentechnologie und Archäologie ist sicherlich ein exotisches Gebiet der Gentechnologie. Es soll aber zeigen, wie weitreichend gentechnologische Verfahren in andere Wissenschaftsbereiche hinein wirken.DNA ist aus der Sicht des Chemikers relativ einfach aufgebaut. Sie ist ein auch außerhalb von Zellen ziemlich robustes Molekül, das durch Assoziation mit mineralischen Substanzen wie Quarzsand noch an Stabilität gewinnt. Gefahr droht der DNA vor allem durch mikrobiellen Abbau, aber auch durch Strangbrüche, die durch die verschiedensten Umstände hervorgerufen werden.Obwohl abgestorbene Organismen meist stark verwest sind, ist es in den letzten Jahren vielfach gelungen, kurze DNA-Moleküle aus unterschiedlichen abgestorbenen oder sogar fossilen Materialien zu isolieren. Wenn auch die Szenen aus dem Film »Jurassic Park«, in denen Dinosaurier aus fossiler DNA wieder zum Leben erweckt werden, noch äußerst spekulativer Natur sind, so ist es doch erstaunlich, wie aus Tausende Jahre alten Fossilien noch DNA extrahiert und mithilfe der Polymerasekettenreaktion analysiert werden kann.Von besonderem Interesse ist die molekulare Analyse von DNA-Resten aus menschlichen Knochen oder sonstigen Geweben (zum Beispiel Mumiengewebe), wovon man sich Informationen über die menschliche Stammesgeschichte oder über Wanderungsbewegungen menschlicher Populationen verspricht. Genetische Vergleichsstudien geben Aufschlüsse über die Evolution des Menschen. So ist es gelungen, aus Knochenmaterial des Neandertalers DNA zu gewinnen und Teilnukleotidsequenzen zu bestimmen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Neandertaler nicht die Vorläufer von uns heute lebenden Menschen waren, sondern wahrscheinlich mit dem Auftreten des modernen Menschen — aus welchen Gründen auch immer — ausgestorben sind. Diese Theorie ist allerdings noch umstritten.Die molekulare Archäologie steckt noch in ihren Anfängen, und es gibt weltweit nur sehr wenige kompetente Forschergruppen, die den Umgang mit fossiler DNA wirklich beherrschen. Der Beitrag dieser Forschung zum Verständnis der Evolution des Menschen und der gesamten belebten Welt ist aber schon jetzt beachtlich.Transgene ModellorganismenIn der Genetik und damit auch in der Gentechnologie spielen Modellorganismen eine große Rolle. Sie werden für gentechnische Arbeiten anstelle des eigentlich interessierenden Organismus (Zielorganismus) verwendet, weil entweder mit dem Zielorganismus prinzipiell keine genetischen Experimente gemacht werden können (beispielsweise mit dem Menschen) oder weil die entsprechenden Arbeiten zu teuer, zu aufwendig oder zu langwierig sind. Modellorganismen werden danach ausgewählt, inwieweit sie dem Zielorganismus entsprechen, sich genetisch und gentechnisch bearbeiten lassen, wie schnell und mit welchem Aufwand sich die Untersuchungen durchführen und schließlich wie weit sich die gewonnenen Ergebnisse auf den Zielorganismus übertragen lassen.In den 25 Jahren praktizierter Gentechnologie haben sich ein halbes Dutzend Modellorganismen herausgeschält, für die eine Vielzahl gentechnischer Verfahren mit zum Teil raffinierten methodischen Einzelheiten entwickelt wurden. Für den gesamten tierischen Bereich sind als Modellorganismen die Maus (vor allem als Modell für den Menschen), der Zebrafisch, die Taufliege Drosophila melanogaster und der Fadenwurm Caenorhabditis elegans eingeführt. Im pflanzlichen Bereich dienen der Tabak und die Wildpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) als Modelle. Für alle diese Organismen existieren seit vielen Jahrzehnten Gen- und Chromosomenkarten und es ist routinemäßig möglich, Gene in die Chromosomen zu überführen. Jeder Modellorganismus hat Vor- und Nachteile, die je nach Fragestellung den einen oder anderen Modellorganismus geeigneter erscheinen lassen. Da hier nicht alle Modellorganismen besprochen werden können, soll nur einer stellvertretend für alle ausgewählt werden.Der für den Menschen und seine Krankheiten wichtigste Modellorganismus ist die Maus. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Mäuse lassen sich schnell und preiswert züchten. Von Mäusen können darüber hinaus embryonale Stammzellen in Zellkultur genommen werden, die totipotent sind und mit denen chimäre Mäuse erzeugt werden können. Totipotent werden solche Zellen genannt, die sich zu allen Geweben eines Organismus, beispielsweise einer Maus, entwickeln können. Bei Mäusen besteht die Möglichkeit, einzelne Gene gezielt auszuschalten oder zu ersetzen, und Mäuse kann man klonieren.Die Möglichkeiten, Mäuse gentechnisch zu verändern, sind sehr vielfältig. Die einfachste gentechnische Veränderung ist die transgene Maus. Dabei wird das fremde Gen/die fremde DNA in den Zellkern eines befruchteten Mäuseeis injiziert. Dort integriert die DNA an einer zufälligen Stelle in die Chromosomen. Dadurch können Mäuse erzeugt werden, die ein zusätzliches Gen besitzen, wie die Riesenmaus, die ein zusätzliches Gen für das Wachstumshormon besitzt.Sehr viel interessanter sind aber die Knock-out-Mäuse (K.-o.-Mäuse), die allerdings auch einen größeren gentechnischen Aufwand erfordern. Bei den K.-o.-Mäusen wird ein spezifisches Gen gezielt durch den gentechnischen Eingriff zerstört (gene-knock-out). Das Verfahren erfordert als Zwischenstufe den Einsatz embryonaler Stammzellen (ES-Zellen). Die ES-Zellen können in Zellkultur gezüchtet werden und sind totipotent.Wenn man solche ES-Zellen in einen frühen Mausembryo im Blastozystenstadium injiziert, dann beteiligen sich diese Zellen an der Entwicklung der Maus. Für die Gentechnologen wird dieses Verfahren aber vor allem dadurch interessant, dass ES-Zellen in besonderer Weise gentechnisch verändert werden können. Wenn Mausgene in ES-Zellen eingebracht werden, dann bauen diese Zellen die Gene oft an den Stellen in den Chromosomen ein, an denen sich die entsprechenden, homologen Gene befinden. Dieser Vorgang wird als homologe Rekombination bezeichnet. Die homologe Rekombination in ES-Zellen führt dazu, dass das ursprüngliche Mausgen herausgeschnitten und durch die künstlich in die Zellen eingeführte Kopie ersetzt wird. Dabei können natürlich auch gentechnisch veränderte Kopien anstelle des eigentlichen Mausgens eingeführt werden. Im einfachsten Fall wird an die Stelle des funktionsfähigen Gens eine defekte Kopie eingefügt. Damit wird das Gen zerstört und man kann sehen, welchen möglichen Schaden, welchen Phänotyp, die Maus dadurch erleidet. Solche K.-o.(Knock-out)-Mäuse sind für die Analyse der Funktion menschlicher Gene sehr hilfreich.Vor allem die Frage, ob eine Krankheit auf einem Defekt in einem bestimmten Gen beruht, lässt sich häufig mit einer K.-o.-Maus beantworten. Entwickelt die K.-o.-Maus ein ähnliches Krankheitsbild wie menschliche Patienten, so ist die Frage schon nahezu beantwortet. Fügt man dann noch eine entsprechende, intakte Genkopie in die K.-o.-Maus ein und werden die Nachkommen dadurch wieder gesund, so gilt dies als eindeutiger Beweis für den Zusammenhang zwischen Krankheit und Gendefekt.Das heute schon verfügbare Repertoire an gentechnischen Verfahren geht aber bei weitem über die einfache K.-o.-Maus hinaus. Der nächste Schritt gentechnischer Untersuchungsmethodik ist die konditionale K.-o.-Maus. Bei der konditionalen K.-o.-Maus wird das Zielgen in der K.-o.-Maus nicht sofort zerstört, sondern es wird eine Fernzündung oder ein Zeitzünder für die Zerstörung des Gens eingebaut.Der Fernzünder besteht aus zwei kurzen DNA-Abschnitten, den Lox-P-Stellen, und einem Enzym, der Cre-Rekombinase. Wenn zwei nicht allzu weit voneinander entfernte Lox-P-Stellen in einem Chromosom vorhanden sind, kann die Cre-Rekombinase diese erkennen und den Bereich zwischen diesen Stellen aus einer DNA heraus schneiden. Bei einer konditionalen K.-o.-Maus wird das Zielgen eingerahmt von zwei Lox-P-Stellen, ohne dass die Maus das Gen für die Rekombinase hat. Solange die Cre-Rekombinase nicht vorhanden ist, passiert nichts und das Gen zwischen den Lox-P-Stellen erfüllt seine Funktion. Das Gen kann jedoch nach dem Willen des Forschers aus dem Chromosom herausgeworfen werden, wenn die Cre-Rekombinase hinzugefügt wird. Dies geschieht dadurch, dass die konditionale Lox-P-k.-o.-Maus mit einer transgenen Maus gepaart wird, die wiederum das Gen für die Cre-Rekombinase enthält. Je nach Genkonstrukt und Promotor kann die Cre-Rekombinase entweder nur in bestimmten Geweben oder nur in bestimmten Entwicklungsstadien oder aber auch immer und in allen Zellen exprimiert (zur Synthese gebracht) werden. In den Geweben oder Stadien, in denen die Rekombinase schließlich aktiv wird, wird das Lox-P-Gen-Konstrukt aus dem Chromosom herausgeschnitten und der K.-o.-Effekt kann untersucht werden. Besonders interessant werden in naher Zukunft Konstruktionen sein, bei denen das Cre-Rekombinasegen von außen gesteuert werden kann. Das geschilderte System ist nur eines von mehreren, das zur gezielten, zeitlich und räumlich präzisen Zerstörung von Genen eingesetzt werden kann.Die Art und Weise, wie die Maus aber auch die anderen Modellorganismen gentechnisch bearbeitet werden können, ist bei der Gentherapie des Menschen bisher nicht anwendbar. Es ist aber inzwischen gelungen, menschliche embryonale Stammzellen zu züchten. Selbstverständlich wird man damit keine chimären Menschen erzeugen, es ist aber durchaus denkbar, dass für gentherapeutische Ansätze gezielte gentechnische Veränderungen dieser Zellen hilfreich sein könnten. Auch für die gezielte Regeneration von Organen oder Geweben könnten sich diese ES-Zellen als wertvoll erweisen.Klonierung von SäugetierenIm Februar 1997 veröffentlichte die Zeitschrift »Nature« ein bis dahin für unmöglich gehaltenes Experiment, nämlich die Klonierung eines Säugetiers aus einer Körperzelle. Das hoch angesehene Fachblatt »Science« nannte in einem Kommentarartikel über dieses gelungene Experiment das Ganze sogar den »Durchbruch des Jahres«. Es handelte sich um eine echte wissenschaftliche Sensation, und renommierte Wissenschaftler zweifelten daran, ob das Ergebnis überhaupt stimme.Die Aufregung und das Erstaunen der Fachwelt ist verständlich, denn den schottischen Forschern war es gelungen, den Zellkern aus einer Euterzelle eines Schafes in eine Eizelle zu transplantieren, der vorher der eigene Zellkern entfernt worden war. Aus dieser Eizelle mit dem Zellkern aus der Euterzelle entwickelte sich tatsächlich das Schaf Dolly.Damit war zum ersten Mal die Klonierung eines Säugetiers gelungen. Das bedeutet immerhin, dass mit einer Zelle oder einem Zellkern eines erwachsenen Individuums das gleiche Individuum noch einmal erzeugt werden kann. Darüber hinaus kann dieser Prozess beliebig oft wiederholt werden, sodass prinzipiell eine nahezu unbegrenzte Anzahl genetisch identischer Individuen (etwa wie eineiige Zwillinge) erzeugt werden kann.Die anfänglichen Zweifel, ob Dolly wirklich ein Klonschaf ist, sind inzwischen beseitigt. Zum einen hat dieselbe Forschergruppe inzwischen weitere Schafe geklont und zum anderen ist es verschiedenen anderen Forschergruppen gelungen, auch Rinder und Mäuse zu klonen. Beim Klonen von Rindern und Schafen stehen vor allem wirtschaftliche Beweggründe im Vordergrund. Das Klonen wird hierbei als Möglichkeit gesehen, die Vermehrung identischer transgener Tiere zu vereinfachen und zu verbilligen.Mit dem grundsätzlichen Nachweis, dass Säugetiere geklont werden können, ist die Vorstellung, eventuell auch Menschen zu klonen, zumindest technisch nicht mehr völlig absurd. Für wie wichtig und weitreichend diese Erkenntnis eingeschätzt wird, zeigt sich daran, dass der derzeitige Präsident der Vereinigten Staaten, Bill Clinton, daraufhin umgehend eine Untersuchung der ethischen und rechtlichen Konsequenzen des Klonens gefordert hat. Auch die Vereinten Nationen haben inzwischen eine Resolution verabschiedet, die das Klonen von Menschen verbietet. Viele UN-Resolutionen sind aber auch schon in der Vergangenheit ohne große Konsequenzen verletzt worden. Es bleibt zu hoffen, dass in diesem Fall alle Beteiligten sich ihrer Verantwortung bewusst sind und das Klonen von Menschen nicht in Erwägung ziehen.Prof. Dr. Erwin SchmidtGrundlegende Informationen finden Sie unter:Gentechnik: Anwendung in Pharmazie und MedizinGentechnik: Anwendung in Landwirtschaft und ErnährungIbelgaufts, Horst: Gentechnologie von A bis Z. Studienausgabe Weinheim u. a. 1990. Nachdruck Weinheim u. a. 1993.Schenkel, Johannes: Transgene Tiere. Heidelberg u. a. 1995.Steinbiß, Hans-Henning: Transgene Pflanzen. Heidelberg u. a. 1995.Winnacker, Ernst-Ludwig: Gene und Klone. Eine Einführung in die Gentechnologie. Weinheim u. a. 1984. Veränderter Nachdruck Weinheim u. a. 1990.
Universal-Lexikon. 2012.